Ein Roman ist eine zusammenhängende Prosaerzählung in Buchlänge über die Handlungen und die Persönlichkeitsentwicklung einer oder mehrerer Figuren, in der Regel in Beziehung zu ihrer Umwelt. Romane sind überwiegend fiktionaler Natur und übertreffen die Kurzgeschichte und die Novelle an Umfang.
Es handelt sich um ein literarisches Genre, das erstmals im 12. Jahrhundert auftaucht und sich vom Märchen oder Epos dadurch unterscheidet, dass er gelesen und nicht angehört werden soll.
Im Unterschied zu historischen Werken behandelt der Roman in der Regel vergleichsweise private Stoffe aus subjektiven Erzählperspektiven.
Das Wort Roman ist ein Lehnwort aus dem Französischen und bedeutet „Erzählung in Versen oder Prosa“: ursprünglich stand der Begriff für einen in der „lingua romana“ geschriebenen Text. Diese war im Imperium Romanum die verbreitete Volkssprache (im Unterschied zur „lingua latina“, der Sprache der Gebildeten).
Inhalt
Merkmale
Die Unterscheidung zwischen den Eigenschaften von Novelle und Roman ist nicht immer klar definiert.
Umfang
Es gibt keinen klaren Konsens über die Mindestlänge eines Romans. Manchmal werden 40.000 Wörter als Minimum angesehen, aber in der Praxis werden die Begriffe Roman und Novelle oft synonym verwendet.
Struktur
Neben der Länge werden in der Regel auch inhaltliche Kriterien herangezogen. So ist der Roman breiter angelegt und würde die Figuren in einer bestimmten Entwicklung zeigen, während die Novelle nur einen (begrenzten) Konflikt ausarbeitet. Im Roman ist die Handlung (Plot) folglich komplizierter, d. h. sie besteht aus Haupt- und Nebenintrigen. Im Gegensatz dazu hat die Novelle eine eher singuläre Struktur.
Zudem beinhaltet der Roman eine größere Anzahl von Figuren, ein breiteres Milieu und einen größeren Zeitrahmen als bei der Novelle. Außerdem ist die Charakterisierung im Roman ausgefeilter als in der Novelle.
Die Vielfalt der literarischen Tonalitäten, die in Romanen vorkommen, ist immens. Der Roman, der zur Gattung der Erzählungen gehört, weist eine große Vielfalt auf, was das Erzählschema (die mehr oder weniger komplexe Abfolge der Ereignisse), das Aktantenschema (die verschiedenen Rollen, die in der Erzählung vorkommen), den Status des Erzählers (vom Autor unterschieden oder nicht), die Erzählperspektiven und auch die chronologische Struktur betrifft. Der Roman ist ein vielgestaltiges Genre, das verschiedene Formen der Rede (direkte, indirekte und freie indirekte Rede), der Beschreibung (raum-zeitlicher Rahmen - Porträts), der eigentlichen Erzählung (Ereignisse), des Kommentars oder des poetischen Ausdrucks verwendet.
Erfolg
Der Romancier Milan Kundera erklärt den Erfolg des Romans mit seinen "Kardinaltugenden" wie die Vielfalt der Gesichtspunkte, die allein die Komplexität der Wirklichkeit widerspiegeln und das Verständnis für menschliche Handlungen schärfen kann; die Kunst der Komposition, die es ermöglicht, die existenziellen Themen, die die Figuren bewegen, mit der Erzählung zu verflechten, und nicht zu vergessen die "experimentellen Egos", die die Figuren sind und die es dem Romancier ermöglichen, die Existenz umso besser zu untersuchen, je mehr er seine eigene Biografie ausblendet.
Der hohe Stellenwert der Fantasie zeigt sich im Adjektiv "romanhaft", das auf die Außergewöhnlichkeit der Figuren, der Situationen oder der Handlung verweist. Die grundlegende Triebfeder des Romans ist also die Neugier des Lesers auf die Figuren und die Ereignisse, zu der später noch das Interesse an einer bestimmten Schreibkunst hinzukommt.
In der Praxis ist diese Einteilung jedoch nicht immer zutreffend. So umfasst James Joyce' Roman "Ulysses" (1922) nur eine Zeitspanne von 24 Stunden. Ähnliche Gegenbeispiele lassen sich für Charakterisierung, Milieuschilderung und Intrigen anführen.
Geschichte
Antike
Bereits in der griechisch-römischen Antike wurden lange Prosaerzählungen verfasst, die heute mit dem Begriff Roman bezeichnet werden. Neben den fünf uns vollständig erhaltenen griechischen Romanen, den so genannten "großen Fünf": Chariton, Xenophon von Ephesus, Longus, Achilles Tatius und Heliodorus, gibt es drei lateinische Romane, Apuleius' Metamorphosen oder Goldener Esel, Petronius' Satyricon und die anonyme Historia Apollonii regis Tyri.
Mittelalter
Im frühen Mittelalter begann man, klassische Epen wie die "Aeneis" in die "lingua romana" zu übersetzen: die aus dem Lateinischen abgeleitete romanische Sprache, die Vorläuferin des Altfranzösischen. Die daraus resultierende neue Gattung wurde als romanice bezeichnet: eine Geschichte in der Volkssprache. Im Altfranzösischen wurde daraus die Romantik. Das Wort wurde zur Bezeichnung der etwas kürzeren Volksballade, aber auch für den mittelalterlichen Ritterroman (Artusroman, Karlsroman, höfischer Roman usw.) und das Tierepos (z. B. Van den vos Reynaerde oder "Le roman de Renart") verwendet. Zur Unterscheidung vom späteren Prosa-Roman wird auch der Begriff Roman in Versen verwendet.
Renaissance & Barock
Das allererste Beispiel für einen Prosa-Roman in einer nicht-klassischen Sprache ist Tristan en Prose von Luce del Gat, eine Prosa-Bearbeitung der Sage von Tristan und Isolde aus dem 13. Größere originelle Prosawerke wurden ab dem 16. Jahrhundert geschrieben: Rabelais' Gargantua und Pantagruel stammt aus dem Jahr 1537, und Cervantes' Don Quijote erschien 1605. In Anlehnung an den spanischen Schelmenroman entstand im 17. Jahrhundert der Schelmenroman (z. B. Nicolaes Heinsius' Den vermakelyken avanturier, 1695), eine Gattung, die noch lange danach Beispiele lieferte (Mark Twains Adventures of Huckleberry Finn, 1884; Jan Cremers I Jan Cremer, 1964).
18. Jahrhundert
Im Laufe des 18. Jahrhunderts beginnt eine Romanproduktion, die sich noch deutlicher an die heute üblichen Beschreibungen der Gattung anlehnt (Voltaire, Diderot, Defoe, Richardson u. a.). Außerdem weitet sich die Gattung aus, so dass eine weitere Spezifizierung in Untergattungen notwendig wird. Eine Unterteilung der Gattung Roman erfolgt in der Praxis aus zwei Gründen: Differenzierung nach inhaltlichen Eigenschaften und nach der Gestaltung. Es überwiegt die auktoriale Perspektive, bei der der Erzähler allwissend und außerhalb der Handlung steht. Nicht nur die Romanstruktur bestimmt die Gestaltung, manchmal auch die Art der Veröffentlichung, wie beim Fortsetzungsroman.
Eine neue Gattung in dieser Zeit ist der Briefroman, der nach Richardsons "Pamela or virtue rewarded" (1740) große Popularität erlangt. Bei dieser Gattung dreht sich alles um die Gestaltung. Der Briefroman kann aus der Perspektive eines Ich-Romans betrachtet werden, mit manchmal mehr als einem Ich-Erzähler, wenn es mehr als einen Briefschreiber gibt. Der Tagebuchroman ist ebenfalls durch die Ich-Form definiert.
Weitere Gattungen sind der Abenteuerroman, der Comic-Roman und der Schauerroman.
19. Jahrhundert
Im Laufe des 19. Jahrhunderts lässt sich eine Verschiebung von der auktorialen Erzählweise, die für den historischen Roman (man denke an A.L.G. Bosboom-Toussaint) und die realistische Prosa (z.B. Hildebrand) charakteristisch ist, zur personalen Erzählweise, wie sie in der naturalistischen Prosa angewandt wird, beobachten. Es entstehen der historische Roman, der Bildungsroman, der psychologische Roman, der Krimi, der Familienroman, der Heimatroman und der Sittenroman.
20. Jahrhundert
Im 20. Jahrhundert wird zunehmend mit der Erzählform experimentiert, beispielsweise durch den bewussten Verzicht auf die Chronologie oder durch das Neben- oder Ineinandergreifen verschiedener Perspektiven. In der experimentellen Prosa (nouveau roman) werden z. B. Collagetechniken und versetzte Perspektiven eingesetzt, auch um einen Verfremdungseffekt zu erzielen. Man spricht daher in diesem Zusammenhang auch von Anti-Romanen.
Literatur
- Georg Lukács: Die Theorie des Romans. Ein geschichtsphilosophischer Versuch über die Formen der großen Epik (verfasst 1914–1916). Cassirer, Berlin 1920.
- Günter Berger: Der komisch-satirische Roman und seine Leser. Poetik, Funktion und Rezeption einer niederen Gattung im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1984, ISBN 3-533-03373-2.
- Olaf Simons: Marteaus Europa oder Der Roman, bevor er Literatur wurde. Rodopi, Amsterdam 2001, ISBN 90-420-1226-9.
- Niels Werber: Liebe als Roman. Zur Koevolution intimer und literarischer Kommunikation. Fink, München 2003, ISBN 978-3-7705-3712-9.
- Ernst Weber, Texte zur Romantheorie: (1626–1781), 2 Bde. (München: Fink, 1974/1981).
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