Lernen ist die Aneignung neuer oder die Anpassung vorhandener Kenntnisse, Verhaltensweisen, Fertigkeiten, Verfahren, Einsichten oder Werte und kann die Synthese (Verschmelzung) verschiedener Arten von Informationen beinhalten. Die Fähigkeit zu lernen besitzen sowohl Menschen, Tiere als auch einige Maschinen. Computer können dank Algorithmen und Computerprogrammen lernen und so neue Funktionen erlangen.
Es wird zwischen zufälligem und absichtlichem (schulischem) Lernen unterschieden. Zufälliges Lernen kann beim Vorlesen oder Fernsehen stattfinden. Intentionales Lernen zielt darauf ab, in einer bestimmten Zeit ein vorher festgelegtes Niveau an Wissen und Fähigkeiten zu erreichen, das in der Bildung als Lernziel oder Endterminus bezeichnet wird.
In der Psychologie, die sich am Behaviorismus orientiert, wird Lernen (siehe auch Lernstile ) als die Verbindung zwischen einem von außen ausgelösten Ereignis (Stimulus) und einer angemessenen Reaktion des Subjekts gesehen, die eine Verhaltensänderung bewirkt, die dauerhaft, messbar und spezifisch ist oder es dem Individuum ermöglicht, ein neues mentales Konstrukt zu formulieren oder ein vorheriges mentales Konstrukt zu revidieren.
Die Entwicklungspsychologie untersucht die Veränderungen, Errungenschaften und Verluste vom embryonalen Leben bis zum Tod. Lernen ist ein wichtiges Konzept, das von dieser Disziplin untersucht wird.
Die westliche Wissenschaft lehrt nach zwei Prinzipien: Deduktion (Rationalismus) und Induktion (Empirismus) (siehe auch: Deduktiv vs. Induktiv).
Siehe auch das Zitat von Konrad Lorenz (1903 - 1989) Gedacht heißt nicht immer gesagt, ….
Inhalt
Definition
Lernen ist der Erwerb oder die Veränderung einer Repräsentation einer Umwelt, um mit ihr wirksame oder zunehmend wirksame Interaktionen oder Beziehungen zu ermöglichen.
Lernen ist eine Veränderung im Verhalten eines Organismus, die aus der Interaktion mit der Umwelt resultiert und sich in einer Vergrößerung seines Repertoires niederschlägt. Lernen unterscheidet sich von Verhaltensänderungen, die als Folge der Reifung des Organismus auftreten und ebenfalls eine Bereicherung des Repertoires darstellen, jedoch ohne dass die Erfahrung bzw. die Interaktion mit der Umwelt eine bedeutende Rolle gespielt hat.
Im Behaviorismus wird allgemein zwischen "klassischer" Konditionierung (Pawlowscher Typ) und "operanter" Konditionierung unterschieden, wie sie 20 Jahre nach Pawlows Experimenten von dem Psychologen Skinner eingeführt wurde.
Psychologie
In der Psychologie (siehe auch Lernpsychologie) und der Biologie ist das Lernen ein wichtiger Untersuchungsgegenstand. Neues Wissen wird im Gehirn gespeichert, was als Gedächtnis bezeichnet wird. Lernprozesse verändern die Art und Weise, wie Menschen denken, fühlen, wahrnehmen und sich verhalten. Diese Prozesse beruhen auf physischen Veränderungen im Gehirn, genauer gesagt in den Schaltkreisen, die der Wahrnehmung, der Bewegung, dem Denken und der Planung menschlichen Verhaltens dienen. Die Fähigkeit zu lernen steht in direktem Zusammenhang mit dieser Formbarkeit oder neuronalen Plastizität des Gehirns.
Formen
Bei den menschlichen Lernprozessen handelt es sich zum Teil um elementare Formen des Lernens, die auch bei niederen Tierarten vorkommen, und zum Teil um Formen des Lernens, die nur beim Menschen vorkommen. Es gibt im Wesentlichen 4 Formen des Lernens: Wahrnehmungslernen, motorisches Lernen, assoziatives Lernen und Lernen, um Zusammenhänge zu verstehen:
- Beim Wahrnehmungslernen geht es um das Erkennen und Einordnen von Objekten in der Umwelt (z. B. Tische, Tiere, Pflanzen, Gebäude, Gesichter).
- Motorisches Lernen (manchmal auch perzeptiv-motorisches Lernen genannt) bezieht sich auf das Erlernen von Fertigkeiten wie Radfahren, Tennisspielen, Essen mit Gabel und Messer, Autofahren und Ähnliches.
- Beim assoziativen Lernen geht es um das Erlernen von Assoziationen zwischen Verhalten und bestimmten Reizen in der Umwelt. Es wird auch als Reiz-Reaktions-Lernen oder Konditionierung bezeichnet. Viele erlernte Formen affektiven Verhaltens und damit verbundener Emotionen (z. B. Angst, Aggression oder angenehme Gefühle) beruhen auf dieser grundlegenden Form des Lernens.
- Beim relationalen Lernen, der komplexesten Form des Lernens, geht es darum, die Beziehungen zwischen Eindrücken oder Reizen in unserer Umgebung zu verstehen, wie z. B. die Objekte in einem Raum und ihre räumlichen Beziehungen. Es bezieht sich auch auf die Beziehung zwischen Episoden, d. h. Ereignissen, die in der Zeit ablaufen, oder auf die Beziehung zwischen Reizen, die von verschiedenen Sinnen kommen (Klang, visuelle Wahrnehmung, Berührung).
Lernprozesse
Lernprozesse laufen teilweise bewusst und teilweise unbewusst ab. Die erste Form wird auch als Elaborationslernen bezeichnet, die zweite Form als Aktivierungslernen. Diese Begriffe entsprechen der Unterscheidung zwischen zwei Arten von Gedächtnissystemen, nämlich dem expliziten Gedächtnis und dem impliziten Gedächtnis. Beim Elaborationslernen werden neue Verbindungen im Gehirn gebildet, während beim Aktivierungslernen bestehende Verbindungen im Gehirn verstärkt werden. Das Üben (wiederholte Ausführung) bestimmter kognitiver Aufgaben wie Rechnen, Sprache, Gedächtnisaufgaben und motorische Aufgaben wird mit einer schnelleren und effizienteren Ausführung dieser Aufgaben in Verbindung gebracht, wenn sie automatischer, d. h. mit weniger geistiger Anstrengung ablaufen.
Ein weiteres Kapitel in der Lernpsychologie ist das lernen von Sprachen, genauer gesagt der Spracherwerb. Das Erlernen einer Sprache, sei es die Muttersprache oder eine Fremdsprache, geschieht scheinbar mühelos und schnell, vor allem in der Kindheit. Dies erscheint paradox, denn gerade in dieser Zeit ist die Bildung von Verbindungen im Gehirn noch in vollem Gange und noch lange nicht abgeschlossen. Einige Forscher vermuten daher, dass das Sprachenlernen auf einem angeborenen Mechanismus, einer kritischen Periode oder einer Art Sprachinstinkt beruht.
Schließlich scheinen Lernprozesse in höherem Alter langsamer und effizienter abzulaufen als in jüngerem Alter (siehe auch kognitive Alterung).
- Unbewusstes Lernen, die grundlegendste Form des Lernens, aber wir können den Lernprozess kaum in Worte fassen. Wir nennen es Learning by doing. Es geschieht allmählich durch Nachahmung anderer.
- Bewusstes Lernen, bei dem man sich bewusst darüber klar wird, um welches Faktenwissen es sich handelt, welche Regeln damit verbunden sind, wie man sie interpretiert und welche Verhaltensanpassungen dabei erforderlich sind. Bewusstes Lernen bedeutet, eine Situation zu schaffen, in der das Lernen selbst die zentrale Aktivität ist. Indem man sich bewusst damit auseinandersetzt, werden die verschiedenen Möglichkeiten sichtbar. Die Situation wird transparent und bietet somit Möglichkeiten zum Lernen.
Lernkultur
Pädagogische Grundannahmen für die Entwicklung einer Lernkultur
1. Auffassungen vom Lernen: Zwei Extrempositionen
"Die Art und Weise von Unterricht gründet sich stets auf bestimmte Auffassungen vom Lernen und Lehren. Genau genommen dürfte die Anzahl dieser Auffassungen so groß sein wie die Anzahl der Lehrenden, denn jeder hat seine persönlichen Erwartungen, macht individuelle Erfahrungen und entwickelt daraus eigene Überzeugungen. Und doch ist es möglich und nützlich, die Vielzahl sowohl persönlicher als auch theoretischer Auffassungen in zwei Extrempositionen zu bündeln, die zum einen die traditionelle und zum anderen die konstruktivistische Lehr-/ Lernphilosophie bilden.
1.1 Die traditionelle Lehr-/Lernphilosophie
Systematische Unterrichtsplanung, angeleitetes Lernen, Frontalunterricht, strenge Fächergrenzen und strikte Lernerfolgskontrolle - das sind Merkmale, die in vereinfachter Form das beschreiben, was unter einer traditionellen Lehr-/Lernphilosophie zu verstehen ist. Auch heute noch ist der Alltag an den meisten Schulen davon geprägt, dass der Lehrende den aktiven Part übernimmt und den Lernenden eine weitgehend rezeptive Position zukommt. Zwar stecken hinter der traditionellen Lehr-/Lernphilosophie durchaus unterschiedlich differenzierte theoretische Annahmen, die vom behaviouristischen Paradigma bis zu Ansätzen der kognitiven Informationsverarbeitung reichen, doch ist ihnen allen das Primat der Instruktion gemeinsam.
In der traditionellen Lehr-/Lernphilosophie konzentriert man sich auf die Frage, wie Lernende am besten anzuleiten. in ihren Lernprozessen zu steuern und Lernerfolge zu kontrollieren sind. Ziel ist der Transport didaktisch aufbereiteten Wissens vom Lehrenden zum Lernenden. Der Lehrende gilt als Präsentierer und Erklärer, der die zu lernenden Inhalte in geplanter und organisierter Form vorgibt. Diese Form der planmäßigen und systematischen Wissensvermittlung hat eine lange Tradition in der Schule, man denke beispielsweise an die landesweite Standardisierung des Volksschulunterrichts gegen Ende des 19. Jahrhunderts, an die Idee der Formalstufen oder an die Programmierte Unterweisung.
1.2 Die konstruktivistische Lehr-/Lernphilosophie
Selbstbestimmtes und entdeckendes Lernen, handlungsorientierter Unterricht, Lernen in fächerübergreifenden Projekten und Selbstevaluation über greifbare Produkte aus selbständiger Arbeit - das sind Schlagwörter, mit denen jeder intuitiv eine alternative Form des Lehrens und Lernens verbindet. Die deutsche Reformpädagogik und der amerikanische Pragmatismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind die historischen Vorläufer einer Lehr-/Lernphilosophie, die man als konstruktivistisch bezeichnen kann. Ebenso wie bei der traditionellen, handelt es sich auch bei der konstruktivistischen Lehr-/Lernphilosophie um einen Sammelbegriff, der unterschiedliche theoretische Ansätze zu einer großen Gruppe von Auffassungen und Überzeugungen zusammenführt, die jedoch eines gemeinsam haben: Sie räumen den aktiv-konstruktiven Leistungen der Lernenden oberste Priorität ein und stellen dem traditionellen Primat der Instruktion das Primat der Konstruktion gegenüber.
In der konstruktivistischen Lehr-/Lernphilosophie treten Unterricht und Lehren hinter Lernprozesse der Schüler zurück. Es interessiert weniger das Problem, wie Wissen vermittelt wird, als vielmehr die Frage, wie Wissen konstruiert wird und in welcher Verbindung Wissen und Handeln stehend. Der Lernende übernimmt eine aktive Rolle, während dem Lehrenden die Aufgabe zukommt, Problemsituationen zu arrangieren und Werkzeuge zur Problemlösung zur Verfügung zu stellen. Der Begriff des Konstruktivismus ist vielschichtig und vieldeutig und umfasst so unterschiedliche Strömungen wie den radikalen Konstruktivismus als Erkenntnistheorie oder die Situated Cognition Bewegung. Letztere hat in den vergangenen Jahren nachhaltigen Einfluss auf die Pädagogische Psychologie ausgeübt. Von besonderer Bedeutung ist dabei die aus der Situated Cognition Bewegung abgeleitete Forderung, der Situiertheit von Wissen und Wissenserwerb mit all ihren Konsequenzen auch im Unterricht Rechnung zu tragen.
1.3 Probleme infolge der Extrempositionen
Widerspruchsfreie theoretische Grundlagen kann keine der beiden Lehr-/Lernphilosophien aufweisen: Weder ist z. B. Wissen - wie in der traditionellen Auffassung unterstellt wird - eine in elementare Teile zerlegbare Ware, die mit berechenbarem Erfolg transportiert werden kann, noch lässt sich - wie es die konstruktivistische Auffassung impliziert - jede Erkenntnis als ein individuell konstruierter und nur situativ greifbarer Prozess interpretieren. Ohne Zweifel hat die traditionelle Auffassung eine längere Forschungstradition und daher mehr empirische Befunde aufzuweisen. Doch mehren sich inzwischen Resultate aus ökologisch validen, langfristig angelegten Evaluationsstudien, die den konstruktivistischen Ansätzen im Unterricht ausgesprochen positive Wirkungen bescheinigen.
Entscheidend aber sind letztlich die praktischen Probleme: Nach wie vor kämpft der traditionelle Unterricht mit Demotivierten, gelangweilten und zunehmend gewaltbereiten Schülerinnen und Schülern, die zwar die wichtigsten Kulturtechniken und ein breit angelegtes Basiswissen erwerben, dessen Nutzen sich aber häufig auf das Bestehen von Prüfungen beschränkt. Die Vermittlung von Medienkompetenz (siehe auch: Trivialliteratur) bleibt dabei ebenso auf der Strecke wie andere überfachliche Kompetenzen, deren „Marktwert“ in allen Gesellschaftsbereichen steigt, die aber nach wie vor in der Schule vernachlässigt werden. Die konstruktivistische Lehr-/Lernphilosophie dagegen krankt an mangelnder Praktikabilität im Unterrichtsalltag und provoziert mit ihrer instruktionalen Abstinenz Überforderung und Frustration sowohl seitens der Lernenden als auch der Lehrenden."
Quelle: Mandl, H. u. G. Reiman-Rothmeier, C. Gräsel: Gutachten zur Vorbereitung des Programms „Systematische Einbeziehung von Medien, Informations- und Kommunikationstechnologien in Lehr- und Lernprozesse“. Bonn 1998, S. 12-18 (bzw. Materialien der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, Heft 66)
Literatur
- Frigga Haug: Lernverhältnisse. Selbstbewegungen und Selbstblockierungen. Argument-Verlag, Hamburg 2003, ISBN 3-88619-324-1.
- Rainer Mausfeld: Über die Bedingungen der Möglichkeit von Lernen. In: M.-L. Käsermann, A. Altorfer (Hrsg.): Über Lernen. Ein Gedankenaustausch. EditionSolo, Bern 2005, S. 218–236.
- Christoph Paulus: Das multidimensionale Lernprofil. Zur Diagnostik von Lernfähigkeit. Peter Lang, Frankfurt 1999, ISBN 3-631-35106-2.
- Manfred Spitzer: Lernen. Spektrum Verlag, Heidelberg 2002, ISBN 3-8274-1396-6.
- Frederic Vester: Denken, Lernen, Vergessen, 1975, als dtv-Taschenbuch 1978, 36. Auflage 2014, ISBN 978-3-423-33045-9.
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