WortlehreWortlehre

Der linguistische Begriff Performanz wurde 1960 von Noam Chomsky verwendet, um „die tatsächliche Verwendung von Sprache in konkreten Situationen“ zu beschreiben. Er wird sowohl für die Produktion, manchmal auch Parole genannt, als auch für das Verstehen von Sprache verwendet. Performanz wird im Gegensatz zu „Kompetenz“ definiert; letztere beschreibt das mentale Wissen, das ein Sprecher oder Hörer über Sprache hat.

Motivation

Ein Teil der Motivation für die Unterscheidung zwischen Performanz und Kompetenz ergibt sich aus Sprachfehlern: Obwohl ein Sprecher einer Sprache die korrekten Formen perfekt beherrscht, kann er unabsichtlich falsche Formen produzieren. Der Grund dafür ist, dass die Leistung in realen Situationen stattfindet und daher vielen nichtsprachlichen Einflüssen unterliegt.

So können beispielsweise Ablenkungen oder Gedächtnislücken den lexikalischen Abruf beeinträchtigen (Chomsky, 1965) und zu Fehlern sowohl in der Produktion als auch in der Wahrnehmung führen. Solche nicht-sprachlichen Faktoren sind völlig unabhängig von der tatsächlichen Sprachkenntnis und belegen, dass sich die Sprachkenntnisse der Sprecher (ihre Kompetenz) von ihrem tatsächlichen Sprachgebrauch (ihrer Leistung) unterscheiden.

Gender-Theorie

In dem Aufsatz „Performative Acts and Gender Constitution: An Essay in Phenomenology and Feminist Theory“ (Performative Handlungen und Geschlechterkonstitution: Ein Versuch in Phänomenologie und feministischer Theorie) schlägt Judith Butler vor, dass das Geschlecht performativ ist - das heißt, dass das Geschlecht nicht so sehr eine statische Identität oder Rolle ist, sondern vielmehr eine Reihe von Handlungen umfasst, die sich im Laufe der Zeit entwickeln können. Butler stellt fest, dass, da die Geschlechtsidentität durch das Verhalten hergestellt wird, die Möglichkeit besteht, verschiedene Geschlechter durch verschiedene Verhaltensweisen zu konstruieren.


[…]

Für meinen Ansatz bildet die Performativitätstheorie Judith Butlers ein wichtige Grundlage. Butler benennt drei kategoriale Dimensionen der signifikanten Leiblichkeit in bezug auf das Geschlecht: das anatomische Geschlecht (sex), die geschlechtlich bestimmte Identität (gender identity) und die Performanz der Geschlechtsidentität (gender performance).(5)
Überträgt man diese drei Kategorien auf das Alter, das ebenso wie Geschlecht als Dimension signifikanter (also bedeutungstragender) Leiblichkeit angesehen werden kann, so ergibt sich die Unterscheidung des biologischen Alters von der Altersidentität und der Performanz der Altersidentität. Alter wird nicht nur biologisch und pathologisch bestimmt, kalendarisch gezählt, gefühlt und sozial normiert, sondern eben auch performativ inszeniert und das sowohl unbewußt als auch strategisch geplant. Butler verknüpft in ihrer Verwendung des Performanzbegriffs den Aspekt der Ausführung mit dem der Aufführung, wenn sie eine performative Handlung als eine solche charakterisiert, die das, was sie benennt, [selbst, Anm. d. Verfasserin] hervorruft oder in Szene setzt.(6)
Unter Performativität versteht sie die die ständig wiederholende und zitierende Praxis, durch die der Diskurs die Wirkungen erzeugt, die er benennt.(7)
In Übertragung eines auf das Geschlecht bezogenen Zitats von Judith Butler läßt sich so die These aufstellen: Die Akte, Gesten und Inszenierungen des Alters erweisen sich insofern als performativ, als das Wesen oder die Identität, die sie angeblich zum Ausdruck bringen, vielmehr durch leibliche Zeichen oder andere diskursive Mittel hergestellte und aufrechterhaltene Fabrikationen / Erfindungen sind.(8)

[…]

(5) Judith Butler. Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt/M. 1991. S. 202.
(6) Judith Butler: Für ein sorgfältiges Lesen, in: Seyla Benhabib, Judith Butler, Drucilla Cornell, Nancy Fraser: Der Streit um die Differenz. Feminismus und Postmoderne in der Gegenwart. Frankfurt/M. 1993. S. 122-132. S. 124.
(7) Judith Butler: Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts. Aus d. Amerikanischen v. Karin Wördemann. Berlin 1995. S. 22. (Titel der Originalausgabe: Bodies that Matter. New York 1993.)
(8) Judith Butler. Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt/M. 1991. S. 200.

 

[Quelle: Aging trouble. Aging Studies und die diskursive Neubestimmung des Alter(n)s — Dr. Miriam Haller, Universität zu Köln - 30. Green Ladies Lunch, 2009]

 

Religion & Kunst

"[…] Im Zusammenhang zum Beispiel mit Aktions-Kunst und weltweiten politischen Protestbewegungen hat seit den 1960er Jahren die performative Dimension kulturellen Handelns stärkere Aufmerksamkeit gefunden. Performanz verbindet abstrakte präskriptive Systeme (beispielsweise Normen) mit dem diffusen Bereich sozialer Praxis: Im Unterschied zum Alltagsverhalten bezeichnet Performanz einen Handlungsmodus, in dem in einem bestimmten Kontext (etwa auf einer Bühne) Beobachten und Agieren miteinander vermittelt werden, wobei die Beobachterperspektive in Ritualen mitunter von metaempirischen Wesenheiten (Göttern) repräsentiert wird.

Ein weiteres Charakteristikum von Performanz ist die Aufhebung der Trennung von Geist und Körper: Körperhaltungen und -bewegungen sind in Ritualen zentral - der stimmliche Vortrag bestimmter Texte etwa ist für Rituale konstitutiv, nicht aber unbedingt ihre geistige Durchdringung. Im Rahmen dieser Entdeckung der performativen Dimension der sozialen Wirklichkeit hat sich in der Religionswissenschaft das Interesse von präskriptiven Systemen wie Theologien zu performativen Sequenzen wie Ritualen verlagert.

Der religionswissenschaftliche Zugang zum Thema "Rituale" schwankt zwischen zwei Zugangsweisen: Deskription und Theorie. Fast jede Darstellung von Religionen beinhaltet die Beschreibung von Ritualen. Gerade die Vieldimensionalität und die Multimedialität von Ritualen machen die Ritualdeskription zu einer schwierigen Angelegenheit, die stilistisches Geschick erfordert. An Ritualen sind oftmals eine Vielzahl von Akteuren beteiligt, die für ihre Aufführung unterschiedliche Qualifikationen benötigen. Die Gestaltung der Rituale-Szenerie umfasst mehrere Ebenen, und Rituale aktivieren zumeist mehrere Sinnesorgane. Für die Ritualbeschreibung hat das zur Konsequenz, dass mehrere Perspektiven (Beobachter/Akteure; Priester/Laien; Frauen/Männer etc.) reflektiert und verschiedene technische Instrumentarien (Text, Ton, Photographie, Kameras) eingesetzt werden müssen. Die verschiedenen Medien sind über das Internet in unterschiedlichen Kombinationen "synthetisch" abrufbar." [Dr. Michael Stausberg, Universität Heidelberg]


 

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