In der Sprachwissenschaft ist die Phraseologie die Lehre von feststehenden Ausdrücken wie Redewendungen oder einem Idiom.
Diese phraseologischen (griech.: phrasis: ‚rednerischer Ausdruck') Einheiten, auch Phrasem oder Phraseologismus genannt, sind mehr oder weniger starre Kombination von Wörtern, deren Bedeutung nicht der freien Assoziation (bzw. lexikalischen Bedeutung) der einzelnen Wörtern entspricht.
Diese Disziplin ist relativ jung und etabliert sich als solche erst seit den 1970er Jahren, und es gibt Kontroversen sowohl über ihren genauen Status innerhalb der Linguistik als auch über ihren Gegenstand. Dies wird im Kern damit begründet, das es schwierig ist, genau festzulegen, welche Wortkombinationen als phraseologische Einheiten betrachtet werden können und wie ihre Typologie aussieht. Auch die verwendete Terminologie ist umstritten.
Inhalt
Merkmale
Folgende 3 Hauptkriterien werden zur Beschreibung von Phraseologismen verwendet:
- Idiomatizität
- Polylexikalität
- Festigkeit (Stabilität)
Weitere nennenswerte Eigenschaften eines Phraseologismus sind:
- Bildlichkeit
- Expressivität
- Lexikalität
- Unschärfe
Beispiele
Eine Liste mit Beispielen inklusive deren Bedeutung:
- Nicht mehr alle Tassen im Schrank haben (unvernünftig; auch: Porzellansyndrom)
- Die Flinte ins Korn werfen (aufgeben)
- Ins Gras beißen (sterben)
- Aus dem letzten Loch pfeifen (erschöpft)
- Die Katze im Sack kaufen (ungeprüft)
- Wie ein Elefant im Porzellanladen (ungeschickt)
- Jemanden fällt ein Stein vom Herzen (erleichtert)
- Den Teufel an die Wand malen (übertrieben pessimistisch)
- Ein blaues Wunder erleben (unangenehme Überraschung)
Typen
Ein Versuch der Kategorisierung mit Beispielen:
- Redensarten und bildliche Ausdrücke: Ihr habt mich auf die Palme gebracht. - Er fühlt sich auf den Schlips getreten. - Sie leben auf zu großem Fuße.
- Sprichwörter: Was sich liebt, das neckt sich. - Es ist nicht alles Gold, was glänzt. - Alter schützt vor Torheit nicht.
- Geflügeltes Wort: Des Pudels Kern
- Slogans und Parolen: Kopf hoch! - Keine Experimente! - Wir sitzen schließlich alle in einem Boot! - Trau keinem über Dreißig.
- Grußformel: Mit freundlichen Grüßen (Korrespondenz); Wir sprechen uns wieder! (Routineformel)
- sprachliche Stereotypen: Die Zeiten sind ernst. - Geld regiert die Welt. - Sie schneiden mal wieder schlecht ab. - der kleine Mann - ihr da oben, wir da unten - So ist nun mal das Leben. - ein schwerer Schlag - Wer A sagt, muss auch B sagen.
- Verschleierungsformeln: Müllentsorgung, Wohnpark
- Leerformeln und Klischees: Freiheit für Autofahrer - ... mit Liebe gemacht (vergleiche: Nächstenliebe) - Das war sehr romantisch / interessant / sonderbar, ... - der Ernst des Lebens - bekanntlich - irgendwie
- feste semantische Wortkombinationen: wirtschaftliche Standortbedingungen, Lesen und Schreiben, Partei und Regierung
- Pauschalisierungen: die Polen, die Unternehmer, ...
Quelle: Günther Einecke (http://www.fachdidaktik-einecke.de/ (siehe auch die Texte und Literaturangaben unter Fachdidaktik) — 2003-2022)
Terminologie
Für die verschiedenen teilweise oder vollständig erstarrten Wortkombinationen stößt man auf eine Vielzahl von Begriffen - eine einheitliche Terminologie existiert nicht. Einerseits kann man mehrere Begriffe für eine Art von Einheit finden, andererseits - einen einzigen Begriff für mehrere. Eine (unvollständige) Liste:
syntagmatische Verbindung, komplexe Benennung, Wortgruppe, lexikalische Gruppe, lexikalisierte Gruppe, komplexes Lexem, syntagmatisches Lexem, Lexie, komplexe Lexie, zusammengesetzte Phrase, komplexes Wort, Paralexem, Synapse, autonomes Syntagma, codiertes Syntagma, Lexikonsyntagma, denominatives Syntagma, lexikalisches Syntagma, Bedeutungseinheit, lexikalische Einheit mit zwei und mehr Elementen, komplexe lexikalische Einheit, übergeordnete lexikalische Einheit, komplexe syntagmatische lexikalische Einheit, komplexe semantische Einheit, lexikalisch orientierte syntagmatische Einheit, bedeutungsorientierte syntagmatische Einheit.
Unter all diesen Begriffen gibt es einige, die bestimmte Arten von Wortkombinationen benennen, z. B. "Aphorismus", andere, die einige Arten umfassen, und wieder andere, die alle umfassen.
Wirkung
Feste Phrasen im Sprachgebrauch benutzen in der Gesellschaft verfügbares Wissen und kollektive Erfahrungen. Je nach Kontext erleichtern und verkürzen sie die Notwendigkeit, differenzierter ausführen zu müssen. Sie sind oft schlagkräftig und anschaulich, bringen Farbe in die Sprache. Sie sind Elemente der Sprachgewohnheit, Konvention und Tradition.
Sie bieten z.T. auch Sicherheit und Orientierung gegenüber den vielfältigen individuellen Deutungsmustern der Wirklichkeit. Sie sind „Schnittstellen ... für mancherlei sozialen Konsens und Kompromiss“ (Abraham) - Andererseits können sie authentisches, individuelles Sprechen verdecken. Sie können zu nachlässiger Auseinandersetzung mit Erfahrungen und Wissen verleiten. Sie könne zu undifferenziertem Umgang mit der Sprache führen und Defizite in der sprachlichen Verarbeitung der Wirklichkeit anzeigen. Sie können das wirklich Gedachte und Gemeinte verbergen, kaschieren. - Insgesamt haben sie also sowohl positive wie negative Funktionen.
Sie bieten ein „Wahrnehmungsproblem“, weil durch sie feste Schemata und Kategorien eingeführt werden; sie bieten ein „Urteilsproblem“, weil durch sie Verallgemeinerungen vollzogen werden, und sie bieten ein „Formulierungsproblem“ (ebd.), weil die Rezipienten sich oftmals an ihrem Gebrauch stoßen. (vgl.: Ulf Abraham: Arbeiten mit „Klischees“ im Deutschunterricht. In: DU 3/95, 3 ff. - Burger/Buhofer/Sialm: Handbuch der Phraseologie. Berlin 1982)
Quelle: Günther Einecke (http://www.fachdidaktik-einecke.de/ (siehe auch die Texte und Literaturangaben unter Fachdidaktik) — 2003-2022)
Synonyme
Als Synonyme zu „Phraseologismus“ werden die Termini Phrasem, Phraseolexem, phraseologische Wortverbindung, Wortgruppenlexem, geflügeltes Wort & Redewendung sowie teilweise auch Floskel, Slogan, Idiom verwendet.
Die zentrale Bedeutung (Definition) lautet: eigentümlichen Wortprägung, Wortverbindung oder syntaktischen Fügung, deren Gesamtbedeutung sich nicht aus den Einzelbedeutungen der Wörter ableiten lässt.
Quelle: Günther Einecke (http://www.fachdidaktik-einecke.de/ (siehe auch die Texte und Literaturangaben unter Fachdidaktik) — 2003-2022)
Literatur
- Harald Burger: Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. 3. Aufl. Berlin: Erich Schmidt, 2007. ISBN 3-503-09812-7.
- Elke Donalies: Basiswissen Deutsche Phraseologie. Francke, Tübingen/ Basel, 2009. ISBN 3-8252-3193-3.
- Wolfgang Fleischer: Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig: VEB Bibliografisches Institut, 1982. 2. Aufl. Tübingen: Niemeyer, 1997; ISBN 3-484-73032-3.
- Csaba Földes: Deutsche Phraseologie kontrastiv: Intra- und interlinguale Zugänge. Heidelberg: Groos, 1996. ISBN 3-87276-759-3.
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