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Sprachplanung ist der bewusste Versuch einer Regierung, einer NGO oder auch von Einzelpersonen, die Funktion und Struktur einer Sprache und/oder die Art und Weise, wie sie unterrichtet wird, positiv oder negativ zu beeinflussen. Sprachplanung betrifft sowohl lebende als auch tote Sprachen und ist daher ein weiter gefasster Begriff als Sprachpolitik. Letzterer Begriff bezieht sich eher auf die Sprachpolitik gegenüber Minderheitensprachen in einem Land oder einer Region.

Inhalt

Ziele

Der Zweck der Sprachplanung kann zum Beispiel mit der Sprachideologie zu tun haben. Einer bestimmten Sprache kann ein bestimmter Zweck und Status zugewiesen werden. Ein wesentlicher Teil der ideologiebasierten Sprachplanung ist zum Beispiel die Wiederbelebung von Sprachen, d. h. der Versuch, eine stark gefährdete oder tote Sprache wieder als Kommunikationsmittel zu verwenden und/oder ihr zu mehr oder neuen Muttersprachlern zu verhelfen. Beispiele für mehr oder weniger erfolgreiche Wiederbelebungen sind neben Hebräisch, Kornisch und Latein, die einzige tote Sprache, die heute als Vehikularsprache auf Wikipedia eine Rolle spielt.

Folgende elf Ziele der Sprachplanung wurden erarbeitet:

  1. Sprachreinigung - Vorgabe von Verwendungsnormen, um die "sprachliche Reinheit" der Sprache zu bewahren, die Sprache vor fremden Einflüssen zu schützen und einer wahrgenommenen Sprachabweichung von innen entgegenzuwirken
  2. Sprachwiederbelebung - der Versuch, eine Sprache, die nur noch wenige oder gar keine Muttersprachler mehr hat, wieder in den allgemeinen Sprachgebrauch zurückzuführen
  3. Sprachreform - bewusste Änderung bestimmter Aspekte der Sprache oder außersprachlicher Elemente wie Grammatik und Rechtschreibung, um den Gebrauch zu erleichtern
  4. Sprachstandardisierung - der Versuch, einer Regionalsprache oder einem Dialekt Prestige zu verschaffen und sie/ihn zur gewählten Standardsprache einer Region zu machen
  5. Sprachverbreitung - der Versuch, die Zahl der Sprecher einer Sprache zu erhöhen
  6. Lexikalische Modernisierung - Wortneuschöpfung oder -anpassung
  7. Vereinheitlichung der Terminologie - Entwicklung einheitlicher Terminologien, vor allem in technischen Bereichen
  8. Stilistische Vereinfachung - Vereinfachung des Sprachgebrauchs in Lexik, Grammatik und Stil. Dazu gehört auch die Änderung des Sprachgebrauchs in sozialen und formellen Kontexten.
  9. Interlinguale Kommunikation - Erleichterung der sprachlichen Kommunikation zwischen Mitgliedern verschiedener Sprachgemeinschaften
  10. Sprachpflege - Erhaltung der Muttersprache einer Gruppe als Erst- oder Zweitsprache, wenn der Status der Sprache bedroht ist oder unter Druck gerät
  11. Standardisierung von Hilfskodes - Standardisierung marginaler, zusätzlicher Aspekte der Sprache, wie z. B. Gebärden für Gehörlose, Ortsnamen oder Regeln der Transliteration und Transkription

Die Gestaltung von Kunstsprachen wird in der Regel auch als eine Form der Sprachplanung angesehen. Das Hauptziel ist in diesem Fall meist nur, die interkulturelle Kommunikation zu erleichtern. Esperanto, das heute nicht nur die Funktion einer Lingua franca hat, sondern von einigen wenigen Sprechern sogar als ihre Muttersprache angesehen wird, ist in diesem Zusammenhang wohl das aussagekräftigste Beispiel.

Anwendung

William Stewart stellt 10 Bereiche der Anwendung dar:

  1. amtlich, manchmal in der Verfassung festgeschrieben
  2. regional beschränkt, wie Französisch in Quebec
  3. grenzüberschreitend, in mehreren Ländern gebraucht (Deutsch)
  4. international für bestimmte kommunikative Zwecke benutzt, wie Englisch, früher Französisch als diplomatische und internationale Sprache
  5. hauptstädtisch, wie etwa Niederländisch und Französisch in Brüssel
  6. gruppenbezogen je nach Ethnie oder Kultur (Hebräisch, Jiddisch)
  7. im Bildungssystem als Unterrichtssprache üblich (Urdu in Westpakistan und Bengalisch in Ostpakistan)
  8. als Schulfach eingeführt (Latein)
  9. literarisch oder wissenschaftlich gebraucht
  10. religiös für rituelle Zwecke, wie Arabisch für das Lesen des Qur'an

Robert Cooper ergänzte drei Unterarten der offiziellen Funktion: rechtlich vorgeschriebene Sprache, Sprache der alltäglichen politischen Arbeit und symbolische Sprachformen, die den Staat repräsentieren.

Die Planung des Spracherwerbs ist eine Form der Sprachplanung, bei der ein nationales, staatliches oder lokales Regierungssystem darauf abzielt, Aspekte der Sprache, wie Sprachstatus, Verbreitung und Alphabetisierung, durch Bildung zu beeinflussen. Die Erwerbsplanung kann auch von Nichtregierungsorganisationen angewandt werden, wird aber eher mit der staatlichen Planung in Verbindung gebracht.

Der hilflose Knabe

Herr K. sprach über die Unart, erlittenes Unrecht stillschweigend in sich hineinzufressen, und erzählte folgende Geschichte:

Einen vor sich hin weinenden Jungen fragte ein Vorübergehender nach dem Grund seines Kummers.

„Ich hatte zwei Groschen für das Kino beisammen“, sagte der Knabe, „da kam ein Junge und riss mir einen aus der Hand“, und er zeigte auf einen Jungen, der in einiger Entfernung zu sehen war.

„Hast du denn nicht um Hilfe geschrien?“ fragte der Mann. „Doch“, sagte der Junge und schluchzte ein wenig stärker.

„Hat dich niemand gehört?“ fragte ihn der Mann weiter, ihn liebevoll streichelnd.

„Nein“, schluchzte der Junge. „Kannst du denn nicht lauter schreien?“ fragte der Mann. „Nein“, sagte der Junge und lächelte.

„Dann gib auch den her“, sagte er, nahm ihm den letzten Groschen aus der Hand und ging unbekümmert weiter.

Quelle: Bertolt Brecht: Geschichten vom Herrn Keuner. St 16, Fft. 1972

Literatur